Mittwoch, 27. August 2014

Der Tag der Segnung

Die folgenden Nächte konnte ich nicht alleine verbringen, meine Angst vorm Kollabieren war einfach zu groß und so blieb mein Mann die ganze Woche Tag und Nacht an meiner Seite. Er fuhr nur kurz zum duschen heim und während dieser Zeit kam dann meine Mutter. Im Krankenhaus hatten die nicht mal Klappbetten für Angehörige, mein Mann tat mir schon sehr leid auf dieser Britsche mit seiner Körpergröße von 1,90 cm. Aber ich brauchte ihn an meiner Seite, und er hatte glaube ich auch nicht im Ansatz darüber nachgedacht zu gehen. Er hat das wirklich großartig gemeistert und hat mir in dieser ersten Woche so viel Kraft und Ruhe vermittelt. An dieser Stelle muss ich meinen tiefsten Dank an meine beiden Lieben schicken, denn sie waren Tag und Nacht zur Stelle und haben meine Rundum-Betreuung ganz wunderbar gemanagt. Ich war nicht in der Lage jemand anderen an mich heranzulassen, schottete mich komplett ab, und verbrachte bis Freitag die Woche liegend im Krankenbett mit geschlossenen Vorhängen. Ich war nicht in der Lage zu essen geschweige denn zu trinken, naja aber Infusionen taten dann das übrige.

Doch dann kam der Moment, vor dem ich mich schon sehr fürchtete, die Segnung unserer kleinen Maus. Ich wusste, dass würde das letzte mal sein, dass sie bei uns sein dürfte und dass wir sie dann endgültig gehen lassen müssten. Aber es tat auch so wahnsinnig gut und war einfach auch so befreiend für mich endlich wieder um sie weinen zu können, und so verbrachten wir mit ihr zusammen als Eltern die intimsten Momente unseres Lebens. In diesen Momenten gab unsere kleine Maus uns so viel Liebe, wie ich es vorher noch nie in meinem Leben spüren konnte, und ich bin ihr so unendlich dankbar dafür. Und sie gab mir ein bisschen Kraft zurück es danach sogar für eine kleine Runde in den Krankenhausgarten zu schaffen bevor wieder eine Runde Chemotherapie auf mich wartete. Auch an diesem Tag im März strahlte die Sonne, es spielten kleine Kinder im Garten, 1-2 Tage alte Säuglinge wurden draußen rum geschoben, es saßen hochschwangere im Garten und auf der anderen Seite waren da auch die Krebspatientinnen mit ihren Tüchern auf dem Köpfen und wir gefüllt mit so viel Trauer. In so einem kleinen Garten wird einem erst wirklich bewusst, wie nah Leid und Freud beieinander liegen.

Aber da war auch noch ein ganz anderes Bild an diesem Tag, dass sich in meinen Kopf eingebrannt hat. Als ich zurück in meinem Zimmer am Fenster saß und teilnahmslos in den Garten blickte, waren da auch die hochschwangeren, die sich eine Zigarette nach der anderen reinzogen. Ich konnte diesen Anblick nur sehr schwer ertragen, und in einem solchen Moment erscheint einem die Welt einfach nur wahnsinnig ungerecht. Ich wollte raus aus diesem Krankenhaus, ich fühlte mich so sehr gefangen in dieser Situation, kämpfte mit dem Mithören der Herztöne, welche das CTG-Gerät der Frau ein Zimmer weiter aufzeichnete und ich durch die Wände hören konnte. Ich sehnte mich so sehr danach, ein Stockwerk weiter oben (Säuglings-/Entbindungsstation) zu liegen, wo die Welt nur rosarot und glücklich zu sein schien. Ich wollte raus aus diesem Krankenhaus und für mich trauern um mein verlorenes Kind, aber es ging nicht, denn ich hatte leider vorher noch einen ganz anderen Kampf zu führen.


2 Kommentare:

  1. Ich wünsche dir ganz viel Kraft für den weiteren schweren Weg und drücke die Daumen, dass alles gut wird!

    LG
    Kaya

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